Armenien – Anfang Oktober 2018
In Armenien hat uns der Herbst eingeholt. Und irgendwie passt er sehr gut zu diesem gemächlichen und freundlichen Land. Die Weiten der steppenartigen Hochebenen wirken herrlich golden und je später am Abend desto beeindruckender ist die Szenerie. Es ist aber nicht nur die Landschaft, die es uns angetan hat, auch die zurückhaltenden, aber sehr freundlichen Menschen und die herrlich-komplexe Sprache mit eigener und einzigartiger Schrift tragen zu unserem Bild von Armenien bei. Das allertollste aber sind die steinalten Autos.
Und das sage ich! Ich, ein absoluter Autobanause (oder darf man sagen Banausin?), der Autos normalerweise nur anhand ihrer Farbe unterscheiden kann! Natürlich kann ich auch hier (im Gegensatz zu meinen beiden Begleitern) die einzelnen Modelle nicht voneinander unterscheiden. Aber dass sie viel älter und charmanter sind als das, was mir bisher auf allen möglichen Strassen begegnet ist, sehe auch ich sofort. Während es in Georgien vor allem ausrangierte (aber längst nicht so alte) Lieferwagen aus Westeuropa gab (meist mit deutscher Werbung für Blumengeschäfte, Spengler und Reinigungsfirmen), sind hier doch gut 50% der Autos Urgesteine aus sowjetischer Zeit. Die ältesten Modelle, die neben uns den Berg raufkeuchen sind aus den 60er-Jahren. Habe ich mir sagen lassen. Manchmal fühlen wir uns ein bisschen wie Marty Mcfly, denn auch die restliche Infrastruktur des Landes ist nicht unbedingt auf dem Stand, den wir uns in Westeuropa im Jahr 2018 gewohnt sind. Echt vintage sozusagen.
Und so waren wir also eines Tages im wunderschönen, postsowjetischen Armenien unterwegs auf einer Strasse, die uns durch eine karge Hügellandschaft auf eine Hochebene führen sollte. Es lagen einige hundert Höhenmeter vor uns und wir hatten extra nur Zmittag eingekauft, damit wir nicht allzu viel Ballast bergauf schleppen mussten. Den Liter Milch, der allabendlich Romans Überleben sichert, wollten wir dann oben auf der Hochebene in einem kleinen Dorf auftreiben. Es war gegen Mittag, die Sonne stach auf uns runter und wir schwitzten, obwohl die Nachttemperaturen doch langsam ziemlich herbstlich sind. Überall am Strassenrand waren Autos parkiert und davor sassen Bauern, die ihre Ernte anpriesen. Für uns sind diese «Marktstände» ein Schlaraffenland. Es gibt Kartoffeln, Zwiebeln, Auberginen, Zucchetti, Peperoni, Zwetschgen, Trauben, Granatäpfel und vieles mehr. Mänu ist jeweils kaum zu halten und ich muss ihn immer bremsen und ihm in Erinnerung rufen, dass wir ja alles, was wir kaufen, auch transportieren müssen. Wir fuhren also gemächlich bergauf und vor uns tauchte – einmal mehr – ein Schnuggi von einem Auto am Strassenrand auf. Wunderschön babyblau und herrlich vintage. Darin sassen zwei ältere Herren und davor stapeltem sich Säcke mit Kartoffeln, Zwiebeln und Chöhli.
Ich zückte natürlich meinen Fotoapparat und musste dieses umwerfende Stilleben festhalten. Einige Minuten später und ein paar wenige Höhenmeter höher überholte uns ein schwer schnaufendes Schnuggi von einem Auto. Wunderschon babyblau und herrlich vintage. Es bremste und hielt ein paar Meter vor uns am Strassenrand an. Die zwei älteren Herren stiegen aus und streckten mir freudestrahlend einen Plastiksack entgegen. Natürlich durfte ich sie noch vor ihrem Auto posierend fotografieren. Wir bedankten uns herzlich (schnoragaluzun) und die beiden Herren fuhren wieder zurück zu ihren Kartoffeln, Zwiebeln und Chöhli. Und wir setzten unseren Aufstieg fort. Um drei Kilogramm Rüebli und eine schöne Begegnung reicher.